Gewährleistung - Untersuchungs- und Rügepflicht
Verbraucher sind grundsätzlich weder verpflichtet, die bestellte Ware zu untersuchen oder Mängel gegenüber dem Verkäufer bzw. dem Lieferanten zu rügen oder anzuzeigen. Eine derartige Pflicht besteht ausschließlich im Rechtsverkehr zwischen Kaufleuten und ist in § 377 HGB normiert.
Beispielklausel
... Nach Eintreffen der Ware bitte sofort auf Vollständigkeit und Beschädigung überprüfen. Eine Beschädigung durch den Transporteur bitte sofort schriftlich bestätigen lassen (auf Transportpapiere oder Lieferschein). Schäden müssen noch am Liefertag unbedingt dem Transporteur mitgeteilt werden. Setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung. Spätere Ansprüche können leider nicht mehr geltend gemacht werden. ...
oder
Offensichtliche Mängel oder Transportschäden sind unverzüglich anzuzeigen; ...Verbraucher müssen uns innerhalb einer Frist von zwei Monaten unverzüglich nach dem Zeitpunkt, zu dem der vertragswidrige Zustand der Ware festgestellt wurde, über offensichtliche Mängel schriftlich unterrichten. ... Unterlässt der Verbraucher diese Unterrichtung, erlöschen die Gewährleistungsrechte zwei Monate nach seiner Feststellung des Mangels. ...
oder
Ankommende Ware ist unverzüglich auf Vollständigkeit oder Beschädigung zu prüfen. Bei Transportschäden ist sofort eine Tatbestandsaufnahme bei Post, Bahn oder Spediteur zu veranlassen und uns gleichzeitig zu benachrichtigen. Spätere Ansprüche können nicht mehr geltend gemacht werden.
Rechtliche Bewertung
Rügepflichten sieht das Gesetz nur für Kaufleute vor. Gegenüber Verbrauchern führen derartige Klauseln dazu, dass die Gewährleistungsrechte bweichend von den §§ 434 ff. BGB eingeschränkt werden. Eine solche Beschränkung der Gewährleistungsrechte verbietet § 475 BGB beim Verbrauchsgüterkauf und zwar auch für offensichtliche Mängel. § 475 BGB ist insoweit gegenüber § 309 Nr. 8 lit. b) lit ee) BGB vorrangig und führt zur Unabdingbarkeit der gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Verbrauchers.
Rechtsprechung
Bis zum Inkrafttreten von § 475 BGB (am 01.01.2002) erblickte der BGH in einer formularvertraglichen Klausel, die die Rüge von Tranportschäden gegenüber dem Veräufer vorsah, keinen Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des Kaufrechts vor. Der BGH führte dazu aus:
Die Feststellung und Mitteilung von Transportschäden stellt für den an einem Versandhandelskauf beteiligten Käufer auch ohne vertragliche Festlegung eine solche Nebenpflicht dar. Von einer bei Auslieferung oder erst nachträglich erkennbaren Transportbeschädigung hat naturgemäß nur der Käufer, nicht aber der Verkäufer Kenntnis. Soll dieser Ersatz liefern, weil er bis zur Übergabe an den Käufer seine Leistung noch nicht erbracht hat, hat er ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis des Schadenstatbestandes und an der Wahrung der Rechte gegenüber dem Frachtführer, um gegen diesen seinerseits Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Der Käufer, der keine Ansprüche gegen den Frachtführer (etwa gem. § HGB § 435 HGB) durchsetzen, sondern den Verkäufer selbst in Anspruch nehmen will und dazu in aller Regel ohnehin den Sachverhalt feststellen und dem Verkäufer mitteilen muß, ist zur Tatbestandsaufnahme und zur Information des Verkäufers unschwer in der Lage und deshalb im Rahmen seiner vertraglichen Treuepflicht auch verpflichtet. Besteht aber diese Pflicht bereits ohne ausdrückliche Vereinbarung, kann ihre Fixierung in einer AGB-Klausel keine wesentlichen Grundsätze des Kaufrechts verletzen (§ AGB-GESETZ § 9 AGB-GESETZ § 9 Absatz II Nr. 1 AGB-Gesetz).
Diese Rechtsprechung ist seit 01.01.2002 durch die Gesetzgebung zur Umsetzung der VerbrGüterKRL überholt. Beim Verbrauchsgüterkauf sind derartige Klauseln unwirksam, da die Regelung des § 447 BGB nach § 474 Abs. 2 S. 2 BGB nicht anwendbar ist und Haftungsklauseln, die diese Regelung umgehen, gegen § 475 Abs. 1 BGB verstoßen, der vorsieht, dass dem Verbraucher keine Verpflichtungen auferlegt werden dürfen, die seine Gewährleistungsrechte beschneiden. Außerhalb der Verbrauchsgüterkäufe erscheint die Ansicht des BGH insofern problematisch, als es die bei jedem Mangel bestehende Möglichkeit der Leistungsverweigerung von zusätzlichen erschwerenden Voraussetzungen abhängig macht. Im Übrigen ist der Transporteur beim Auspacken der Ware durch den Kunden regelmäßig nicht mehr anwesend, so dass dem Kunden die Herbeiführung einer Tatbestandsaufnahme durch den Transporteur nur unter der nicht gerade wirklichkeitsnahen Prämisse möglich ist, dass es jenem gelingt, den Transporteur zu diesem Zweck erneut zu sich zu zitieren. Demgemäß kann dem Kunden zwar die Tatbestandsaufnahme als solche sowie eine entsprechende Mitteilung an den Transporteur auferlegt werden. Anderes muss jedoch für die Begründung einer Tatbestandsaufnahmeobliegenheit gelten, da der Kunde auf die Tatbestandsaufnahme durch den Transporteur keinen hinreichenden Einfluss hat.
Literatur
Thüsing in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 34. Ergänzungslieferung 2013
Rn 23;
Wurmnest in: MüKo BGB, § 309 Nr. 8, Rn 12 und 62 ff. BGB
Fazit
Untersuchungs- und Rügepflichten gegenüber Verbrauchern widersprechen jedenfalls seit 01.01.2002 durch die Gesetzgebung zur Umsetzung der VerbrGüterKRL dem gesetzlichen Leitbild.